Urteile
Bundesverfassungsgericht kippt Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung
22.03.2010 | Datenschutz und IT-Sicherheit | Urteile | von Carsten Gerlach
Das Bundesverfassungsgericht entschied am 2. März 2010, dass das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in seiner bisherigen Umsetzung nicht verfassungsgemäß sei und verpflichtete die Anbieter von Telekommunikationsdiensten zur unverzüglichen Löschung der bis dahin gesammelten Daten. (Urteil vom 2. März 2010, Aktenzeichen: 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08)
Die Anbieter von Telekommunikationsdiensten waren auf Grundlage der EU Richtlinie 2006/24/EG dazu verpflichtet, Telekommunikationsverkehrsdaten
(IP-Adressen, Standortdaten oder Verbindungsdaten von bspw. Telefongesprächen oder Internetnutzung etc.) vorsorglich und ohne Anlass für mindestens sechs Monate und höchstens zwei Jahre zu speichern und für die Verfolgung von schweren
Straftaten bereitzuhalten.
Unter Vorratsdatenspeicherung versteht man die Verpflichtung der Anbieter von Telekommunikationsdiensten, elektronische Kommunikationsvorgänge zu registrieren, unabhängig davon, ob eine konkrete Gefahr oder ein Anfangsverdacht vorliegt.
Das Bundesverfassungsgericht führte in seiner Begründung aus, dass das Gesetz gegen das Grundrecht auf Telekommunikationsgeheimnis verstoße. Die anlasslose Speicherung von Daten löse bei dem Bürger ein "diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins" aus. Dadurch sei eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte durch den Bürger in vielen Bereichen beeinträchtigt.
Allerdings sollte dieses Urteil nicht zu der Annahme verleiten, das Bundesverfassungsgericht verbiete eine solche Speicherung unter allen Umständen.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, dass es dem Staat untersagt ist, eine Sammlung von personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder auch nicht bestimmbaren Zwecken zu erstellen.
Das Verfassungsgericht sagt aber in seinem Urteil, dass eine Speicherung der Verkehrsdaten auch im Rahmen der Grundrechte zulässig angeordnet werden kann. Eine Speicherung ohne Anlass kann zulässig sein, sofern der Eingriff in ein Grundrecht gerechtfertigt ist. Strikt verboten ist nämlich, wie oben genannt, nur die Speicherung zu unbestimmten und noch nicht bestimmbaren Zwecken. Trägt die anlasslose Speicherung dem Eingriff hinreichend Rechnung, unterfällt diese Speicherung von Daten nicht schon als solche dem strikten Verbot im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes.
Eine vorsorgliche anlasslose Speicherung ist nur ausnahmsweise zulässig, unterliegt aber dann besonders strengen Anforderungen.
Führt die Speicherung zu Möglichkeiten der Aufklärung, die einem sonst nicht zur Verfügung stünden, kann die Speicherung an sich verfassungsmäßig sein. Angesichts der zunehmenden Bedeutung der Telekommunikation für die Vorbereitung und Begehung von Straftaten kann solch eine Speicherung bei der Aufklärung erfolgversprechend sein.
Die Vorratsdatenspeicherung ist in der Zukunft nur noch verfassungsmäßig,
wenn folgende Kriterien erfüllt sind:
- Besonders hoher Standard der Datensicherheit,
- Vorliegen von gesetzlichen Regelungen zur Verwendung der Daten,
- Transparenz der Datenverwendung und Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes und effektiver Sanktionen,
- Schaffung eines Auskunftsanspruches des Bürgers gegenüber den Diensteanbietern.
Verbindungsdaten können also unter Berücksichtigung der schärferen Sicherheits- und Transparenzvorkehrungen auch in Zukunft, so wie es die entsprechende EU-Richtlinie vorsieht, auf Vorrat gespeichert werden und sind dementsprechend grundsätzlich zulässig.